TourCert Journal

Restart im Tourismus nachhaltig angehen – Impulse aus Ostafrika von Judy Kepher-Gona

Antilope rennt durch Landschaft in Afrika

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Unser Partner Sustainable Travel & Tourism Agenda (STTA) aus Kenia engagiert sich trotz Krise sehr aktiv für die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus in Ostafrika. Wir sind beeindruckt von ihrem Einsatz und freuen uns sehr, dass STTA seit Herbst 2020 auch offiziell Preferred Partner von TourCert für Ostafrika ist.

Nach einem ambitionierten Start im Jahr 2019 wurde der Erfolgskurs unseres gemeinsamen Projektes Tourism Excellence Uganda im Jahr 2020 durch die globale Corona-Pandemie ausgebremst. Dies hält uns nicht davon ab, gemeinsam die nachhaltige Transformation des Tourismus voranzutreiben.

Das folgende Interview mit Judy Kepher-Gona, Gründerin und Senior Beraterin von STTA, gibt Einblicke und Impulse, wie sich die Corona-Pandemie auf die Arbeit von STTA ausgewirkt hat, wie die aktuelle Situation in Kenia sowie anderen ostafrikanischen Ländern ist und was sie sich für die Tourismusbranche im Jahr 2021 erhofft.

Judy, STTA ist seit Herbst 2020 der offizielle Preferred Partner von TourCert für die Region Ostafrika. Was bedeutet diese Partnerschaft für dich?

Diese Partnerschaft bedeutet, mehr Möglichkeiten für Tourismusunternehmen in der Region Ostafrika zu schaffen, um zu lernen, zu wachsen und verantwortungsvolle Unternehmen zu werden. Ich sehe die in den TourCert-Ansatz eingebetteten Tools und Prozesse als Schlüssel, um die Skepsis gegenüber der Zertifizierung aufzulösen und vielen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich zu qualifizieren. Zweitens teilen wir viele Ansichten mit TourCert, wenn es um die Zertifizierung geht. Wir glauben an den Prozess, nicht nur an die Anerkennung.

Kick-Off des Tourism Excellence Uganda Projekts mit dem Team von AUTO, STTA mit Judy Kepher-Gona (zweite von rechts) sowie Marco Giraldo (rechts) und Martin Balaš (zweiter von links) von TourCert © TourCert
Kick-Off des Tourism Excellence Uganda Projekts mit dem Team von AUTO, STTA mit Judy Kepher-Gona (zweite von rechts) sowie Marco Giraldo (rechts) und Martin Balaš (zweiter von links) von TourCert

Im Moment hat die Corona-Pandemie den Tourismus weltweit noch fest im Griff. Das muss auch STTA betroffen haben, denn ihr bietet Schulungen und Beratungen für Tourismusunternehmen, Communities und politische Entscheidungsträger*innen bei der Planung und Umsetzung eines nachhaltigen Tourismus an. Wie ging es dir und deinem Team während der Krise?

Wir waren betroffen. Wir mussten unsere Präsenztrainings, unsere persönlichen Mentorenprogramme mit Universitätsstudierenden und sogar unseren jährlichen Sustainable Tourism Africa Summit überdenken.
Wir sind schnell auf Online-Formate umgestiegen, um weiterhin unsere Inhalte und das Knowhow zu nachhaltigem Tourismus teilen zu können. Wir waren in der Lage, für einige Trainings Gebühren zu erheben, haben aber auch eine Reihe von kostenlosen Webinaren angeboten, um kleine und mittlere Unternehmen zu erreichen und zu unterstützen. Als Mentoren-Organisation war es vernünftig und auch unsere Aufgabe, einen Weg zu finden, um kleine Unternehmen in der Bewältigung der Krise und der turbulenten Zeit zu unterstützen.

Wir danken allen Organisationen, die uns eingeladen haben, in Online-Formaten unseren Input zu geben und als Diskussionsteilnehmer*innen in verschiedenen Online-Panels zu sitzen. Insgesamt haben wir über 20 Einladungen als Redner*innen oder Diskussionsteilnehmer*innen erhalten.
Während es Rückschläge gab, gab es auch viele Möglichkeiten, neue Netzwerke aufzubauen und für die Zukunft zu lernen.

Die Krise hält mit einigen Höhen und Tiefen seit fast einem Jahr an. Wie ist die aktuelle Situation der Tourismusbranche in Kenia und in Nachbarländern wie Uganda? Wie geht es den Menschen, die im Tourismus arbeiten?

Der internationale Tourismus ist im Winterschlaf und es gibt nur wenige internationale Ankünfte. Die Branche wird durch den Inlandstourismus versucht aufrechtzuerhalten, d.h. auch, dass die Verantwortlichen in Ostafrika beziehungsweise in ganz Afrika die Stellung des Inlandstourismus überdenken. In Kenia streben aktuell zahlreiche Reiseveranstalter eine Zertifizierung für nachhaltigen Tourismus an. Sie nutzen diese ruhige Zeit, um ihre Geschäftsabläufe zu überprüfen und zu optimieren. Dieser Trend beunruhigt mich allerdings auch in gewissem Maße, denn nicht in ruhigen, sondern in arbeitsreichen und hektischen Zeiten zeigen sich die wahren Charaktere der Unternehmen.

Gibt es finanzielle Unterstützung für die Branche von Seiten der Regierungen? Oder andere Hilfen?

Die kenianische Regierung implementierte verschiedene Konjunkturpakete für den Naturschutz und den Tourismus. Im Tourismusbereich wurden die Hotels und Unterkünfte am meisten unterstützt. Sie erhielten beispielsweise günstige Kredite für Renovierungen. Im Januar 2021 äußerte sich die Regierung jedoch besorgt, dass die Kredite nur sehr langsam in Anspruch genommen wurden. Auf der anderen Seite erhielten kommunale Schutzgebiete Zuschüsse, um die Gehälter für kommunale Ranger*innen für ein Jahr zu bezahlen.
Außerdem scheint es so, dass ein EU-Vertreter in einem Webinar vom Ministerium für Tourismus und Wildnis einige Zusagen zur Unterstützung des Tourismus gemacht hat.

STTA team Tour mit Judy Kepher Gona für das Africa Heritage House in Kenya. © STTA
STTA-Team-Tour mit Judy Kepher-Gona für das Africa Heritage House in Kenia – das meistfotografierte Haus in Afrika

Warum wurde die Tourismusbranche von der Corona-Pandemie so hart getroffen? Fehlt es der Branche an Resilienz?

Der Tourismus ist es gewohnt, sich in kurzer Zeit zu erholen. Bisher waren die Krisen regional und auf bestimmte Orte beschränkt. Die Corona-Pandemie ist jedoch anders.

Die Tourismusbranche wurde hart getroffen, weil sie in vielerlei Hinsicht verwundbar ist. Der Tourismus ist eine Industrie, die auf vielen Branchen aufbaut. Wenn die Sicherheit ausfällt, leidet der Tourismus. Wenn sich das Wetter / Klima ändert, leidet der Tourismus. Wenn es eine Gesundheitskrise gibt, leidet der Tourismus. Wenn es politische Unruhen gibt, leidet der Tourismus. Wenn in einer Destination die Menschenrechte verletzt werden, leidet der Tourismus. Doch der Tourismus ignoriert immer wieder genau die Dinge, die ihn ausmachen. Tourismusverantwortliche versäumen es, alle externen Risiken in der Planung zu berücksichtigen.

In Deutschland war der Binnentourismus im letzten Sommer ein großer Trend und wurde als Instrument zur Rettung der Branche diskutiert. Welche Bedeutung hat der Inlandstourismus in Kenia und den Nachbarländern? Kann dieser die Einkommensverluste aufgrund fehlender internationaler Reisender kompensieren?

Der Inlandstourismus hat die Branche in Kenia seit Ausbruch der Pandemie aufrechterhalten. Staatliche Stellen im Tourismus haben in der Kommunikation und Politik oft auf die Bedeutung des Inlandstourismus hingewiesen. Die Realität dieser Bedeutung hat sich in den letzten Monaten bemerkbar gemacht. Kurzfristig mögen die Unterschiede bei den Einnahmen zwischen inländischen und internationalen Besucher*innen erheblich sein, aber im Laufe der Zeit könnte dies durch vermehrte Inlandsreisen verringert werden. Nichtsdestotrotz ist der inländische Markt noch nicht vollständig erschlossen.

Wie kann der Neustart im Tourismus gelingen und was braucht es dazu? Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit?

Der Neustart im Tourismus braucht eine transformative Führung und fähige Institutionen (oder Weiterentwicklungen der Bestehenden), denn der Tourismus braucht Vielfalt, Inklusivität und laterales Wachstum, um sein wahres Potenzial zu entfalten und neue Chancen zu eröffnen. Bei nachhaltigem Tourismus geht es um neue und andere Möglichkeiten. Nachhaltiger Tourismus verkörpert auch Resilienz. Daher muss nachhaltiger Tourismus der Kern des touristischen Neustarts sein.

Im Folgenden einige Gedanken von mir dazu, die ich in den vergangenen Wochen auf Social Media geteilt habe:

  • Im Jahr 2021 sollte der Tourismus den Mut haben, das Ufer (die Komfortzone) zu verlassen und zu mehr Freiheit zu segeln und neue, gewagtere Möglichkeiten für Reisende, Gastgeber und den Planeten zu schaffen.
  • Es gibt fundiertes Wissen über Nachhaltigkeit, um den Tourismus als verantwortungsvolle Branche weiterzuentwickeln, die zu inklusivem Wohlstand in den Destinationen beiträgt und den Planeten schützt.
  • Die Covid 19-Pandemie hat Nachhaltigkeit im Tourismus stärker in den Fokus gerückt und die Verwundbarkeit von touristischen Kleinunternehmen in Afrika verschärft. Die Politik des Neustarts muss diese Signale berücksichtigen.
  • Nachhaltigkeit eröffnet verschiedene Chancen für den Tourismus.
  • Viele Tourismus-Technokrat*innen in Afrika müssen den Wert und die Macht von Mikro-, Klein- und Mittelunternehmen erkennen, um die Vielfalt, die Inklusivität und das laterale Wachstum des Tourismus auf dem Kontinent zu fördern.
  • Wenn das durch Covid 19 herbeigeführte „New Normal“ im Tourismus nicht zu neuen Chancen und Wegen führt, dann haben wir nicht aus dieser Krise gelernt.

 

#buildTourismForward #tourisminsights2021

Judy Kepher Gona in der Masai Mara mit einheimischen Maasai-Führern während einer Zeugensafari © STTA
Judy Kepher-Gona in der Masai-Mara mit lokalen Maasai-Guides

Was sind deine Hoffnungen für den Tourismus im Jahr 2021?

Dass der Tourismus neue Chancen verfolgt und Resilienz durch nachhaltigen Tourismus aufbaut, indem er die Systeme, von denen er bisher abhängig war, neu überdenkt.

Danke, Judy, dass du deine Gedanken und Pläne mit uns teilst. Wir alle hoffen auf den dringend notwendigen nachhaltigen Restart des Tourismus – in Ostafrika und weltweit.

Mehr Informationen über das Projekt Tourism Excellence Uganda finden Sie hier.

Tags
Afrika, Corona, Kenia, Nachhaltiger Tourismus, Partner, STTA, Tourismus Restart, Uganda

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